Hier bin ich!

Ich mag Abenteuergeschichten. Ich liebe epische Geschichten über Helden, die etwas Großes wagen oder eine unbändige Schwierigkeit überwinden, die sich zum Guten verändern oder andere verändern. Aber ich habe auch ein besonderes Faible für „versteckte Helden“ entwickelt. Figuren, die oft eher abseits vom Rampenlicht bleiben und doch unaussprechlichen Einfluss auf die Menschen und Geschehnisse um sich herum haben. 

Was wäre zum Beispiel ein Frodo ohne seinen Samwise? Was wäre Sherlock Holmes ohne seinen Dr. Watson? Ja, was wäre Königin Elsa ohne ihre Schwester Anna? 

Auch in der Bibel findet man solche treuen verborgenen Helden ... eigentlich durch die Bank weg. 

 

In letzter Zeit beschäftigt mich aber insbesondere eine Person, die wirklich eine totale „Nebenrolle“ in der ganzen Bibel einnimmt. Aber sein Einfluss auf den Rest der Weltgeschichte ist bis heute hin zu uns nicht zu unterschätzen.

Alles beginnt mit einem Ruf von Gott und seiner Antwort „Hier bin ich, Herr!“.

Diese Art von Berufung ist ja nicht unbekannt. Die bekanntesten „Hier bin ich“s sind wahrscheinlich die von Abraham, Mose, Samuel und Jesaja. Allesamt bekamen sie einen großen Auftrag, eine LEBENSsaufgabe. Und wir können Gott unendlich dankbar für diese Menschen, ihren Gehorsam und ihren Dienst sein. 

Aber das „Hier bin ich“ von diesem einen Mann, der mir durch den Kopf geht, ist anders. Es geht bei ihm nur um eine scheinbar „kleine“ Aufgabe, die aber alles verändert. 

 

Ich rede von Hananias, der in der Apostelgeschichte 9, 10-17 auftritt (Lies es mal nach!) 

Unmittelbar vor seiner Erwähnung lesen wir, wie der große Paulus (damals noch Saulus) seine dramatische Begegnung im Licht mit dem auferstandenen Jesus Christus hatte, dessen Anhänger er bis dahin auf Gedeih und Verderb verfolgte. Paulus erblindete bei diesem Ereignis und wurde von seinen Gefährten nach Damaskus geführt, wo er auf Hananias warten sollte. 

 

Was wissen wir über Hananias bis zu diesem Zeitpunkt? Nichts. Er kam noch nie vorher vor. 

Wie wird er hier beschrieben? 

 

Es war aber ein Jünger in Damaskus mit Namen Hananias; dem erschien der Herr und sprach: Hananias! Und er sprach: Hier bin ich, Herr. (V. 10)

 

Hananias war einfach nur ein Jünger Jesu, ansässig in der Stadt Damaskus. Er hatte von diesem wütenden Christenverfolger Saulus gehört, hatte berechtigte Angst vor ihm, schließlich stand Saulus kurz davor in SEINER Stadt einzumarschieren und für viel Leid unter den Christen zu sorgen. Und doch lässt Gott jetzt die Bombe platzen: „Steh auf und geh zu ihm…, bete für ihn …!“  

Ein kurzes „Ja, aber …“ lesen wir von Hananias, aber dann...

 

„Hananias ging hin und kam in das Haus und legte die Hände auf ihn und sprach: Lieber Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir auf dem Wege hierher erschienen ist, dass du wieder sehend und mit dem Heiligen Geist erfüllt werdest.“ (V. 17)

 

Was hat Hananias getan?

Er war ein treuer Jünger Jesu, er bekam einen „kleinen“ Auftrag von Jesus für jemanden zu beten, er gehorchte, und das war’s. Hananias verschwindet namentlich wieder von der Bildfläche und von diesem Zeitpunkt an geht es mehr oder weniger nur noch um Paulus. Wahrscheinlich blieb Hananias danach einfach weiterhin in Damaskus, vielleicht betete er weiterhin für seinen neuen Bruder im Herrn, und freute sich aus der Ferne über all die großen Taten, die er für Jesus tat. Man weiß es nicht. 

 

Aber was hat Hananias durch seine eine treue Tat bewirkt? Er hat dazu beigetragen, dass Paulus zu dem wurde, den wir später immer mehr kennen lernen, ein „auserwähltes Werkzeug für Jesus vor Heiden, Königen und Juden“ (V. 15).

Kurz gesagt: Ohne Hananias - kein Paulus. Ohne Paulus - keine Mission in Europa. Ohne Mission in Europa - keine Errettung für Bianca. 

 

Wenn ich über mein Leben und meinen Dienst nachdenke, dann merke ich eines: Früher, als ich noch „jung und unerfahren“ war, wollte ich GROSSES erreichen. Ich hatte das Gefühl, dass irgendwo da draußen meine große Lebensbestimmung für Gottes Reich auf mich warte, und irgendwann würde er mich dort hinführen. Andere Menschen und ich selbst hatten riesige Erwartungen an mich (so kam es mir zumindest vor), und ich war so gespannt auf das, was Gott mit mir vorhaben würde.

Doch je länger ich lebe, desto mehr wird mir eines klar: Ich bin nicht so toll, wie ich immer dachte. Ich habe nicht so viel erreicht, wie ich immer erreichen wollte. Ich bin nicht so bekannt und so weit herum gekommen, wie ich immer hoffte. 

Hört sich ein bisschen wie Midlife-Crisis an? Ist es vielleicht auch. Aber es ist eine sehr heilsame Krise. 

 

Ich bin dankbar über die „Paulus“e in dieser Welt. Wir brauchen sie dringend. Menschen, die ihr Leben lang weltweit Großes für Gott bewegen und anstoßen und bekannt sind. 

Ich bin aber genau so dankbar für all die „Hananias“e um mich herum und ich denke auch, dass die meisten von uns dazu aufgerufen sind so zu sein. Menschen, die völlig unbekannt einfach treu an ihrem Ort als Jünger Jesu leben und genau das tun, wozu Gott sie gerade in diesem Moment und in dieser Lebensphase beruft. Menschen, die sich in andere investieren, Menschen im Hintergrund. 

Ich möchte selbst auch so ein „Hananias“ sein. Ich möchte treu sein in dem, was Gott mir hier und jetzt in meinem kleinen Leipzig gibt. Als Ehefrau und Mutter, als Campus-Mitarbeiterin, als Gemeindemitglied, als Freundin  … 

Wann immer Gott mich für etwas gebrauchen möchte, möchte ich antworten: „Hier bin ich, Herr!“ und es dann tun. Egal, wie „klein oder groß“ die Aufgabe ist. 

 

(Diese Gedanken entspringen übrigens nicht nur meinem eigenen Hirn, sondern wurden sehr stark von einer kurzen Bibelarbeit eines polnischen Campusmitarbeiters, Marek Wyrzykowski, den ich über Silvester hören durfte, geprägt.)