Gedanken zum Abend

 

Gestern noch habe ich einen Blogpost verfasst, in dem ich über den wieder neu entdeckten Segen und die Wichtigkeit des Morgengebetes geschrieben habe. 

 

Heute morgen nahm ich ihn mir auch sogleich zu Herzen … ich begann den Tag, die Woche im flehentlichen Gebet um Gottes Kraft. Meine Augen waren schwer, meine Glieder schmerzten, ich war spät dran. Aber ich bat um Gottes Hilfe für den Tag, und er schenkte sie auch immer wieder.

 

Und doch … der Tag lief nicht so, wie ich es mir erhofft habe. Ich war nicht immer bei der Sache, ich war trotz allem oft gereizt, es gab lautes Geschrei, es gab Dinge, die ich vergessen habe, ich traf nicht gut durchdachte und ungerechte Entscheidungen … es gab sicherlich auch schöne Momente, und doch war ich zwischendrin immer wieder enttäuscht.

Hat denn mein Beten am Morgen doch nichts gebracht, Herr? Hat sich gar nichts dadurch heute verändert? Was war nur los? Wie oft musste ich dich heute um erneute Kraft und Hilfe bitten? Wie oft um Vergebung für mein Versagen?

 

Verschiedene Dinge gingen mir im Laufe des Tages durch den Kopf:

1. Das Morgengebet ist keine „Zauberformel“. Ich kann nicht erwarten, dass ich es einmal am Morgen bete, und dann ist alles gut für den restlichen Tag.

 

2. Das Morgengebet ist aber auch nicht „nutzlos“. Ich glaube fest, dass Gott dennoch möchte, dass ich ihm jeden Tag neu anvertraue und bewusst in die Abhängigkeit von ihm trete. Ich glaube fest, dass das Gebet etwas bewirkt hat und weiterhin tun wird. 

Dadurch, dass ich heute morgen ganz bewusst um Gottes Hilfe bat, hatte ich den ganzen Tag hindurch die feste Hoffnung und Erwartung, dass er heute mit „besonderer Kraft“ zu mir durchbrechen würde. Aber vielleicht tat er es (mal wieder) anders, als ich es erwartet hatte: Anstatt dass mir alles leichter von der Hand gehen würde, wurde ich sensibler für meine eigene Unfähigkeit. Anstelle, dass ich mich nicht mehr dauernd von etwas Unwichtigem ablenken lassen würde, wurde ich dennoch schneller gewahr, wo ich von dem abwich, was ich eigentlich tun wollte. Anstelle, dass ich immer ruhig und besonnen reagieren würde, merkte ich, wie oft ich zu weit ging. 

 

Ich glaube, es gab heute den ganzen Tag genau so viele Versuchungen, Anfechtungen und Strapazen wie an jedem anderen Tag auch. Und ich glaube sogar, ich bin mindestens genau so oft gefallen. Und doch war eines vielleicht heute anders … in all den Fehltritten wandte ich mich vielleicht schneller wieder an Ihn in meiner Not. 

Und Er brach zu mir durch. Mit seiner Vergebung. Jedes mal aufs Neue. 

 

Abends vor dem Schlafen gehen las ich mit meinem 5-Jährigen in der Bibel aus Lukas 5: 

 

27 Levi gab Jesus zu Ehren in seinem Haus ein großes Fest. Zusammen mit Jesus und seinen Jüngern nahmen zahlreiche Zolleinnehmer und andere ´Leute von zweifelhaftem Ruf` an dem Essen teil. 30 Die Pharisäer und ihre Anhänger unter den Schriftgelehrten waren darüber empört und stellten die Jünger zur Rede. »Wie könnt ihr nur zusammen mit Zolleinnehmern und Sündern essen und trinken?«, sagten sie. 31 Jesus selbst gab ihnen die Antwort:

»Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. 32 Ich bin nicht gekommen, um Gerechte zu rufen; ich bin gekommen, um Sünder zur Umkehr zu rufen.«

 

Wenn ich eines heute gelernt habe, dann ist es, dass ich wie Levi chronisch „krank“ bin, ich brauche unbedingt einen Arzt. Nicht nur einmal am Tag, sondern ständig. Ich brauche immer wieder Jesu Vergebung für mein Versagen. Und ich bin so dankbar, dass Jesus sie mir von Herzen immer wieder schenkt, und mich nicht aufgibt. 

Ich bete und hoffe trotzdem weiter, dass er mir Stück für Stück mehr hilft so zu werden, wie er will. Dass ich so reagiere, wie er es am besten findet. Momentan ist es aber gerade wieder eine schwierigere Zeit. Die Umstände des Lockdowns etc. sind keine Rechtfertigung dafür, dass es mir schwerer fällt, gut zu reagieren, aber vielleicht eine Erklärung … ?

Wie auch immer, ich glaube, das ist okay. Ich darf manchmal "gesünder", und manchmal auch noch „kränker“ sein … Jesus kommt damit irgendwie klar. Er stößt mich nicht weg, sondern bleibt trotzdem bei mir und ruft mich auf, ihm weiter zu folgen. Er bleibt ein Gott für die Kranken.

An jedem Tag neu.

 

Gott, zu Dir rufe ich in der Frühe des Tages.

Hilf mir beten und meine Gedanken sammeln zu Dir;

ich kann es nicht allein.

In mir ist es finster, aber bei Dir ist das Licht;

ich bin einsam, aber Du verlässt mich nicht;

ich bin kleinmütig, aber bei Dir ist die Hilfe;

ich bin unruhig, aber bei Dir ist der Friede;

in mir ist Bitterkeit, aber bei Dir ist die Geduld;

ich verstehe Deine Wege nicht, aber Du weißt den Weg für mich.

- Dietrich Bonhoeffer, Morgengebet

 

Bild: pixabay.com

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